Marionetten, Müllers Marionetten-Theater

Müllers Marionetten-Theater

Im März 2020 haben wir nach einer leider durch die Pandemie verkürzten Abschiedsspielzeit den Spielbetrieb aus Altersgründen aufgegeben.

Das Theater am Neuenteich konnten wir dem Ehepaar Mona und Kris Köhler übergeben, die unter der Bezeichnung K4 – Theater für Menschlichkeit einen Spielplan anbieten werden.

Die Marionetten und Bühnenbilder des Theaters sind noch immer im Besitz von Ursula und Günther Weißenborn.

Ursula Weißenborn - Müllers Marionetten-Theater, Wuppertal

Ursula Weißenborn

wird sich nur noch der Bildenden Kunst widmen. Informationen über ihre Kunst und Aktivitäten finden Sie auf ihrer Homepage.

Günther Weißenborn - Müllers Marionetten-Theater, Wuppertal

Günther Weißenborn

ist weiter als Dramaturg tätig und widmet sich vorwiegend der Verbindung von Theater und Musik. Informationen dazu finden Sie vorläufig noch unter www.familienkonzerte.com. Eine neue Internetpräsenz wird vorbereitet.

Wenn Sie Kontakt zu den Künstlern aufnehmen möchten, erreichen Sie sie weiterhin unter der E-Mail-Adresse info@muellersmarionettentheater.de


Über den Abschied von Müllers Marionetten-Theater informiert Sie umfassend ein Bericht von Sabine Maguire im Wuppertaler Top-Magazin:

Müllers Marionetten-Theater: Der letzte Vorhang

Sie haben die Puppen tanzen lassen. Mehr als drei Jahrzehnte lang – und nun ist Schluss. Man versucht sie irgendwie mit der Sprache einzufangen, diese besonderen Momente. Schon während man sie schreibt, weiß man um die Unzulänglichkeit solcher Worte. Für Ursula und Günther Weißenborn sind die Puppen zu Wegbegleitern geworden. Und das über lange Zeit hinweg, so dass es schwierig werden dürfte, sie nun plötzlich aus dem eigenen Alltag wegzudenken. Beinahe jeden Tag sind die Puppenspieler zum Neuenteich gefahren - „Müllers Marionetten-Theater“ ist dort längst zu einer Institution geworden. Wer sich als Zuschauer mitreißen ließ inmitten der wunderbaren Theaterstücke, der wurde beseelt daraus entlassen. Ein Rückblick.

Man kann es sich gut vorstellen, wie beide zuhause am Küchentisch sitzen, um zwei kreativen Seelen einen künstlerischen Entwurf zu entlocken. Bleibt man in der Kunst im Abstrakten verhaftet, mag das ein leichtes Unterfangen sein. Aber ein Puppentheater? Dort wird nicht ins Vergeistigte hinein philosophiert, sondern gefühlt. Dort muss man etwas wagen und sich selbst soweit öffnen, dass der Funke am Ende hinüberspringt ins Publikum. Das scheint Ursula und Günther Weißenborn ganz wunderbar gelungen zu sein und vermutlich gibt es nur wenige Wuppertaler, die „Müllers Marionetten-Theater“ nicht kennen.

Nun ist dort der letzte Vorgang gefallen und man möchte am liebsten gegen die Endgültigkeit anschreien: Nein, tut das bitte nicht! Wer soll sie nun erzählen, diese fabelhaften Geschichten? All dem setzen Ursula und Günther Weißenborn entgegen: „Wir sehen das nicht so dramatisch.“ Es sei das Ende eines Berufes – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Man springe in so etwas hinein, und irgendwann eben auch wieder heraus. Dabei waren die Anfänge von „Müllers Marionetten-Theater“ eher kurios und alles andere als ein geplanter Lebensentwurf.

Als Ursula Müller aus der Schweiz einst durch die Lübecker Altstadt lief, entdeckte sie mittendrin ein Marionettentheater. Dort wollte sie hin, und dort wollte man sie unbedingt mitspielen lassen. Man ließ sie nicht nur Hauptrollen spielen, sondern überließ ihr auch gleich noch die Buchhaltung. Vermutlich keine große Sache für jemanden, der in einer schweizerischen Steuer- und Anwaltskanzlei zur Fremdsprachenkorrespondentin ausgebildet worden war. Es folgten berufliche Stippvisiten in Frankreich und den USA – Jahre später dann begann die Lübecker Erfolgsgeschichte.

Alles Zufall? Günther Weißenborn sieht es eher so: „Man trägt etwas in sich, dass lange vorher angelegt ist.“ Bei seiner Frau sei es das Faible dafür gewesen, in Rollen zu schlüpfen. Begegnet sind sich beide übrigens am Lübecker Theater. Er: Ein aufstrebender Operndramaturg. Sie: Nach dem Start im Puppentheater mittlerweile in der Schauspiel-Requisite beheimatet. Und das so gut, das der Verwaltungsdirektor damals über sie sagte: „Die Neue hat den Laden im Griff.“

Damit war eigentlich alles gesagt und schaut man heute auf das, was die Weißenborns über Jahrzehnte hinweg aufgebaut haben, lässt man ein Leben inmitten voller Inspiration und Kreativität an sich vorüberziehen. Er schrieb die Stücke, sie baute die Puppen. Gemeinsam feilte man an den Inszenierungen, besprach sich mit Komponisten und Bühnenbildnern. Vom Feuilleton hochgelobt wurden die „szenischen Familienkonzerte“ als besonderes Genre des Musiktheaters - aus der Feder der Weißenborns, und von renommierten Orchestern engagiert.

In Wuppertal wurden Ursula und Günther Weißenborn in den 1980er Jahren sesshaft, und hier ging´s auch gleich schon fulminant los mit einer Kooperation mit dem Opernhaus. Nachdem die Feuerwehr die Betriebsgenehmigung im Foyer entzog, hatten die Puppen dort ausgetanzt. Es folgte ein Umzug ins damalige Medienhaus in der Uellendahler Straße und von dort aus zum Neuenteich, wo Ursula Weißenborn ihr eigenes Theater eröffnen konnte. Auch das ist eine Geschichte, die unbedingt erzählt werden muss. Nicht nur deshalb, weil die Hausbesitzer Marlies und Hans-Peter Osterritter bis zum letzten Tag keine Miete verlangten. Sondern auch, weil viele Wuppertaler damals eifrig mit anpackten. Der Fabrikant Peter Muckenhaupt spendierte zentnerweise Kabel und Steckdosen, der Großhandel Runkel & Schmidt literweise Farbe. Das Baugeschäft Gerlich karrte einen Lastwagen voller Holz zum Neuenteich, die Tapeten kamen von Erfurt .

Mehr als 250 Puppen zogen dort ein, dazu die Requisiten und eine kleine Werkstatt. In den Anfangsjahren noch als Operndramaturg in Düsseldorf und Duisburg engagiert, traf Günther Weißenborn eine Entscheidung: Zwischen Oper, Heim und Marionettentheater hin und her pendeln, und das alles mit zwei kleinen Kindern? Das ließ sich auf Dauer nicht durchhalten. Für ihn wäre der nächste berufliche Schritt eine Intendanz gewesen – warum er das nicht wollte, hat er damals so begründet: „Man muss erkennen, wo die Lebenschancen liegen. Auch wenn das nicht die Karriere ist, die andere erwarten. “

Fortan ging es für beide also weiter in „Müllers Marionetten-Theater“ - und das mit einem Ruf, der in die Welt hinaus strahlte. Mit der Unterstützung von Johannes Rau reisten sie nach Jekaterinenburg, in Tokyo trafen sie einen der berühmtesten Puppenbauer der Welt. Ein russischer Philosoph schrieb eine Novelle, das seidene Haar für die Puppen wurde aus Japan geliefert. Marionetten, die Striptease tanzen? Mit Startenor Placido Domingo auf der Bühne? Man könnte so vieles erzählen aus einer Ära, die eigentlich erst Ende Juli hätte zu Ende gehen sollen. Dass sie es schon vier Monate früher tat, war den Folgen der Pandemie geschuldet. Auch „Müllers Marionetten-Theater“ musste die Türen schließen und bald war klar: Für das große und kleine Publikum werden sie sich nicht mehr öffnen. Dass es dort anders, aber dennoch kreativ weitergeht, machte den Abschied leichter: „Junge Schauspieler mit Wurzeln in der freien Theaterszene werden hier hoffentlich bald einziehen“, freut sich Günther Weißenborn.

Es hat nicht lange gedauert, bis jemand bei ihm anrief, um ihn als Autor für ein Theaterstück zu engagieren. Derweil hat Ursula Weißenborn in den vergangenen Jahren den Schnee neu entdeckt. Mit Ölfarbe auf Leinwand und so faszinierend, dass man sich fragt, warum die Malerei so lange auf ihre „Snow Art“ warten musste. Und ja, dann gibt es mittlerweile auch sieben Filmproduktionen aus dem Marionetten-Theater. Dafür haben sich die Weißenborns in den vergangenen Monaten nochmal auf die Bühne gestellt.

Sabine Maguire/Top Magazin Wuppertal